von Frank Schrader
Alljährlich findet am 23. April der „Welttag des Buches“ statt, der 1995 von der UNESCO eingeführt wurde für das Lesen, für Bücher, für die Kultur des geschriebenen Wortes und die Rechte ihrer Autoren. Aus diesem Anlass sei daran erinnert, dass im Dritten Reich ein bedeutender Teil der Literatur verboten und kurz nach Hitlers „Machtergreifung“ 1933 bei öffentlich inszenierten Bücherverbrennungen auch im Kinzigtal dem Feuer übergeben wurde. Nach den Bücherverbrennungen durch Studenten am 10. Mai 1933 in Berlin und anderen Großstädten rief der badische Gebietsführer der Hitlerjugend (HJ), Friedhelm Kemper (1906-1990), die Bevölkerung und alle Bibliotheken im Land Baden dazu auf, die „jüdischen Schmutz- und Schundschriften“ bei der örtlichen HJ abzuliefern, damit dieser „Bücherdreck“, der „Geist der Remarque, Emil Ludwig-Kohn usw.“ auf dem „Scheiterhaufen der jungen deutschen Revolution“ verbrannt werden könnten. Der HJ-Gefolgschaftsbannschulungsleiter Dr. Wilhelm Fritsch (1907-1987) forderte darüber hinaus in einem Aufruf in der Wolfacher Tageszeitung „Der Kinzigtäler“, bei dieser Aktion auch die Noten der „neudeutschen Novemberling-Komponisten“ wie „Korngold,Weill & Co.“ zu verbrennen, die mit ihrer „N*musik“ zum „kulturellen Niedergang“ Deutschlands nach dem Ersten Weltkrieg beigetragen hätten.
Als offizieller Rahmen für die Bücherverbrennungen im Kinzigtal diente das „Fest der deutschen Jugend“ am Tag der Sonnwendfeier, dem 24. Juni 1933. Im Anzeigenteil des „Kinzigtälers“ erschien eine Woche zuvor ein Aufruf der HJ an die Bevölkerung, die „jüdische Schmutz- und Schundliteratur“ bei der HJ abzuliefern. Derjenige, der nach der Sammlung noch im Besitze „eines solchen Schmutzbuches“ sei, sei „kein anständiger, richtiger Deutscher“. Die HJ versicherte, dass dieser „Schmutz und Schund feierlich und würdig dem Feuer übergeben“ werde.
Die in Wolfach von Hauptlehrer und NS-Jungvolkführer Alfred Metzler organisierte und ursprünglich auf dem Kreuzbergsattel geplante Sonnwendfeier musste wegen des starken Regens in die Turnhalle (heute Schlosshalle) verlegt werden. Bei seiner Rede sprach Metzler über die „verzehrende und reinigende Kraft des Feuers und über das unglaublich viele, was morsch, faul und verhöhnt war in unserem Volk der Denker und Dichter“.
Nach dem „Flammenlied“ stimmte NSDAP-Ortsgruppenführer Alfred Albanus ein „Sieg Heil“ auf den „Führer“ an und die rechte Hand der Teilnehmer erhob sich zum „Hitlergruß“ beim Singen des Deutschlandliedes. Das „Jungvolk“ sprach den „Feuereid“ und alle leisteten als Sprechchor
den „Rütlischwur“. Nach dem Horst-Wessel-Lied marschierte die HJ zu den Tennisplätzen auf der Insel, wo heute die Realschule steht, und verbrannte die von ihr eingesammelten „Schmutz- und Schundschriften“.
In Hausach fand zur gleichen Zeit das „öffentliche Verbrennen“ der von der Hitlerjugend eingesammelten „sittenlosen Bücher und Schriften“ nach Ansprachen von Jugendführer Herbener und NSDAP-Ortsgruppenführer Hackelberg auf dem Schlossberg statt. In Haslach i. K. warfen die HJ und der Bund Deutscher Mädel (BDM) bei der Sonnwendfeier auf dem Sportplatz die „Druckerzeugnisse eines zurückliegenden undeutschen Zeitalters in das prasselnde Feuermeer“.
Wegen des schlechten Wetters wurde das „Fest der Jugend“ in Schiltach auf den 1. Juli 1933 verschoben. Vor dem von Kunstmaler Eduard Trautwein (1893-1978) entworfenen „Heldenkreuz“ auf dem Schrofen entzündeten die Nazis ein Sonnwendfeuer. Nach einer Ansprache von Bürgermeister Eugen Groß wurden die von der HJ in Schiltach eingesammelten „Schmutz- und Schundschriften“ ins Feuer geworfen, um den „volksfremden, literarischen Unrat“ zu vernichten. Die Veranstaltung schloss mit einer Rede des NSDAP-Ortsgruppenführers August Vornfett.
Bei der Sonnwendfeier in Bad Rippoldsau am 25. Juni 1933 marschierten die „Schüler, SA, HJ, Amtswalter der NSDAP“ und sämtliche Vereine zum „hellleuchtenden Johannisfeuer“. Stützpunktleiter Schenz hielt die „Feuerrede“, in der er darauf hinwies, dass der „undeutsche Geist“ verschwinden müsse. Die noch vorhandenen schwarz-rot-goldenen Fahnen des „einstigen marxistischen Systems“ wurden „unter großem Beifall den Flammen“ übergeben.
Auch in Gutach fand wegen des Regens die Sonnwendfeier erst am 25. Juni statt, bei der nach Reden des Bürgermeisters Wöhrle, Hauptlehrers Borell und Propagandaleiters Richard Oehler eine „alte Flagge“ verbrannt wurde. Ortsgruppenführer Kanzler beendete mit einem Dankwort die Feier. Nicht erwähnt werden im "Kinzigtäler" Bücherverbrennungen bei den Sonnwendfeiern in St. Roman am 18. Juni 1933 auf dem Kohlplatz, in Oberwolfach am 24. Juni beim Musikpavillon und in Kinzigtal am 28. Juni am "Eckle".
In Gengenbach wurde im Juni 1933 von der dortigen HJ zur „Bekämpfung von Schmutz und Schund“ eine Sammlung der „entsprechenden Literatur bei den einzelnen Familien veranstaltet“, wie der Gengenbacher „Kinzigbote“ berichtete. Am 17. Juni 1933 wurde schließlich das „gesammelte Material sowie Fahnen der marxistischen Partei auf dem Marktplatze feierlich verbrannt“.
In Zell am Harmersbach warf am 19. Juni 1933 die Hitlerjugend auf dem Marktplatz Bücher ins Feuer. Bei jedem Buch, das im Feuer landete, riefen die Beteiligten: „Verbrenne undeutscher Geist!“
Nach den in vielen Städten und Gemeinden Badens durchgeführten Bücherverbrennungen im Juni 1933 rief der Gebietsführer der Hitlerjugend (HJ), Friedhelm Kemper, die Jugend zur „Ehrung der Heimatdichter, Maler und Sänger“ während der „Badischen Heimatwoche“ auf. In einem Aufruf des HJ Gefolgschaftsbannschulungsleiters Dr. Wilhelm Fritsch in der Wolfacher Tageszeitung „Der Kinzigtäler“ war zu lesen, dass die „Kampfwoche gegen Schund und Schmutz“ ihren Abschluss gefunden habe in der „Verbrennung der Erzeugnisse einer Reihe jüdisch-marxistischer Literaten“. Diese „symbolische Handlung“ habe der „gesamten Bevölkerung gezeigt, daß die deutsche Jugend absolute Sauberkeit im geistigen Leben unserer Nation“ fordere. Es müssten nun die „schöpferischen Kräfte unseres Volkes“ gefördert und die „bodenständige völkische Kunst unserer deutschen Dichter, Maler und Musiker aus der Vergessenheit zu neuem Leben“ erweckt werde.
Diesen Aufrufen von Kemper und Fritsch folgend, stellte im Juli 1933 in Wolfach der in Schiltach geborene Kunstmaler Eduard Trautwein, aktives Mitglied der Wolfacher NSDAP-Ortsgruppe und SS- Mitglied,in einem Schaufenster des Kurzwarengeschäftes von Rudolf Vivell in der Hauptstraße (heute Schlossapotheke) Gemälde und Zeichnungen aus, darunter „neue Portraits unseres Führers und Volkskanzlers, eine Gruppe Hitlerjugend, Wolfach- und Landschaftsbilder aus der Heimat“ und anderes mehr, wie der „Kinzigtäler“ berichtete. Vivells Geschäft war im Dritten Reich die parteiamtlich genehmigte Verkaufsstelle für Uniformen und Ausrüstungsgegenstände der SS, SA, Hitlerjugend und Jungvolk.
In Hornberg wurde als Abschluss der von Kemper und Fritsch angeordneten „Badischen Heimatwoche“ am 1. Juli 1933 im Zeichensaal des Schulhauses eine „Schwarzwälder Kunstausstellung“ eröffnet. Dabei fand ein Hitler-Portrait von Trautwein „berechtigte Beachtung“, wie die in Karlsruhe erscheinende Zeitung „Badische Presse“ anmerkte. Der Schwerpunkt der Ausstellung lag auf den Werken der Gutacher Künstler Wilhelm Hasemann und Curt Liebich. Große Aufmerksamkeit erregte bei den Besuchern nach Aussage der „Badischen Presse“ der von Liebich entworfene Ehrenbürgerbrief der Gemeinde Gutach für den badischen NSDAP-Reichsstatthalter Robert Wagner. Außerdem waren Werke der Hornberger Maler W. Glück, H. Schäfer und Wilhelm Wurzel sowie der Holzbildhauer Dorer und Fritz Haas zu sehen. Der „Kinzigtäler“ berichtete, dass im Vorfeld der Ausstellung der Gutacher Jungvolkführer Klenert mit der Hitlerjugend, dem Jungvolk und dem Bund Deutscher Mädel zum Haus von Professor Liebich in Gutach zog, um ihm eine „schlichte Ehrung“ darzubringen. Der Ausstellungseröffnung selbst wohnten Luise Hasemann, die Witwe des 1913 gestorbenen Schwarzwaldmalers, sowie Curt Liebich und Eduard Trautwein bei. Liebich war im Gegensatz zu Trautwein kein Mitglied der NSDAP und wurde nach Angaben seines Enkels Werner Liebich vom „Berufsneid ideologisch angepaßter Kollegen“ verfolgt. Die Kunstkammer in Karlsruhe verhängte über ihn auf dem Gebiet der Bildhauerei wegen angeblicher „beruflicher Unfähigkeit“ ein Berufsverbot.
Der Texte wurde uns freundlicherweise von Frank Schrader zur Verfügung gestellt. Vielen Dank.