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Schwerin

4. Juni 1933 , Pfaffenteich
Auf einem Floß auf dem Pfaffenteich verbrannten am 4. Juni 1933 die Bücher zahlreicher Autor*innen unter der Leitung der SA.

Bücherverbrennungen in Schwerin 1933

von Bernd Kasten

Was sie von der Freiheit des Geistes hielten, zeigten die Nationalsozialisten in Schwerin schon vor 1933. Nach ihrem Wahlsieg bei den Amtsvertreterwahlen im November 1931 nutzten sie sofort die Gelegenheit, um „Werke mit undeutscher Seele und jüdischer Tendenz (Remarque, Rathenau usw.)“ aus der Volksbücherei des Amtes Schwerin zu entfernen.1

Vergeblich protestierte der Lehrer Wollbrandt, der die Bibliothek aufgebaut hatte, gegen diesen Akt der Barbarei.2 1932 stellte die NSDAP-Fraktion in der Rostocker Stadtverordnetenversammlung einen Antrag auf „Ausmerzung volkstumsfeindlicher Bücher“ von Verfassern wie Tucholsky aus der Stadtbibliothek.3 Am 10. Mai 1933 fand auf Initiative der Studenten in Rostock eine große Bücherverbrennung statt.4 Im Juni 1933 schließlich wurden den öffentlichen Büchereien zwei „schwarze Listen“ übersandt, die genau aufführten, welche Bücher zu vernichten und welche für die Benutzung zu sperren waren.5 In der Regel unterblieb jedoch eine Vernichtung dieser Bücher.6 Stattdessen wurden 1933 und 1937 sämtliche örtlichen Bibliotheken angewiesen, Bücher jüdischer, marxistischer oder sonst wie verbotener Autoren an die Landesbibliothek in Schwerin abzugeben. Der hier lagernde, nur mit besonderer Genehmigung zu benutzende Bestand war recht heterogen. Studien zur Kinderpsychologie von David Katz lagen neben den Lebenserinnerungen von Anton Rubinstein, die Werke von Marx, Bebel und Trotzki neben den Büchern des liberalen Staatsrechtlers Hugo Preuß. In der Belletristik waren Emile Zola, H.G. Wells, André Gide, Jack London und Thomas Mann betroffen.7

Wurden die in öffentlichem Besitz befindlichen Bücher nur für die Benutzung gesperrt, war das NS-Regime gegenüber Büchern, die sich im Privatbesitz befanden, nicht so rücksichtsvoll. Zwischen Februar und Mai 1933 durchsuchte die Kriminalpolizei Wohnungen und Parteibüros von Kommunisten und Sozialdemokraten. Anfang Mai 1933 fanden Hausdurchsuchungen im Schweriner Gewerkschaftshaus und bei der sozialdemokratischen Tageszeitung „Das Freie Wort“ statt.8 Neben Briefen und Akten wurden hierbei stets auch zahlreiche Bücher beschlagnahmt. 111 Bände wurden, „um für wissenschaftliche Zwecke verfügbar zu bleiben, von der Kriminalpolizei mit der Auflage sie von der wissenschaftlichen Benutzung auszuschließen, der Landesbibliothek übergeben“9.

Für den Rest hatte die NSDAP eine andere Verwendung. Am Pfingstmontag, dem 5. Juni 1933 hatte die Partei ein großes „Heimattreffen“ auf dem Flugplatz Schwerin-Görries angesetzt. Die Auftaktveranstaltung am Abend des 4. Juni verlief wie folgt:

Rund um den mitten in der Stadt gelegenen Pfaffenteich standen SA-Männer. Auf einem Floß in der Mitte des kleinen rechtwinkligen Sees lagen in einem großen, teergetränkten Haufen die von der Polizei beschlagnahmten Büchern und Schriften, die nicht der Landesbibliothek übergeben worden waren.10 Um 22:15 erlosch die Straßenbeleuchtung, die SA-Männer entzündeten ihre Fackeln, und der „inmitten des Wassers errichtete Scheiterhaufen der gesammelten Schmutz- und Schundliteratur“ wurde in Brand gesetzt.11 Am Südende des Pfaffenteichs hielt der beim Mecklenburgischen Staatstheater angestellte Schauspieler Arno Hoß eine Rede, die in der Forderung gipfelte: „Deutsch und Rein sei der Geist und die Gedankenwelt, die aus dem Buch des Deutschen zum Volksgenossen spricht“.12 Anschließend sprach der junge Rechtsanwalt und NSDAP-Kreisleiter Friedrich Steinfatt. Als das Feuer fast heruntergebrannt war, wurde am Mittelturm des als Polizeikaserne dienenden Arsenals die Hakenfahne aufgezogen und vor dem Elektrizitätswerk am Nordende des Pfaffenteichs leuchtete ein großes, aus hunderten von Glühbirnen gebildetes Hakenkreuz auf, „damit gleichsam den Sieg des Lichts über rassefremde Unkultur versinnbildlichend, was ja der Sinn der abendlichen Feierstunde war“.13 Mit dem Deutschland- und dem Horst-Wessel-Lied schloss die Veranstaltung.14

Am nächsten Tag, dem Pfingstmontag, feierten dann 20 000 Menschen aus ganz Mecklenburg ein Volksfest in Schwerin-Görries, dessen Höhepunkt in einem großen historischen Festumzug bestand.15 Als rückblickenden Kommentar zur Bücherverbrennung brachte die NS-Parteizeitung „Niederdeutscher Beobachter“ am folgenden Tag noch ein Gedicht von Rudolph Gahlbeck, Zeichenlehrer an der Schweriner Oberrealschule.16

Der Text stammt von Bernd Kasten. Er ist Leiter des Stadtarchivs in Schwerin. Vielen Dank.

  • 1. Mecklenburgische Schulzeitung (3.6.1932).
  • 2. Ebenda.
  • 3. „Rostocker Anzeiger“ (3.2.1932).
  • 4. Karl-Heinz Jügelt, Schandpfahl und Bücherverbrennung, Die studentische Aktion „Wider den undeutschen Geist“ an der Mecklenburgischen Landesbibliothek im Mai 1933, in „Zeitgeschichte Regional“ 2/1998, S.29-38.
  • 5. Landeshauptarchiv Schwerin, Ministerium für Unterricht (5.12-7/1) Nr. 6007, Arbeitsausschuss für mecklenburgisches Volksbüchereiwesen an Ministerium für Unterricht (1.6.1933); Arbeitsausschuss für mecklenburgisches Volksbüchereiwesen, Rundschreiben an die Volksbüchereien (2.6.1933).
  • 6. Etliche der eigentlich zu vernichtenden Bücher wie Eduard Bernstein, Voraussetzungen des Sozialismus oder Arthur Rosenberg, Entstehung der Weimarer Republik, finden sich im Verzeichnis der an die Landesbibliothek abgegebenen Bücher, vgl. Landeshauptarchiv Schwerin, Ministerium für Unterricht (5.12-7/1) Nr. 6007, Arbeitsausschuss für mecklenburgisches Volksbüchereiwesen, „Schwarze Liste der zu vernichtenden Bücher“ (Juni 1933), Stadtarchiv Schwerin, R 33/341, Verzeichnis der Bücher der Stadtbücherei, die nach 1937 bzw. 1933 gegen Quittung an die Landesbibliothek zur Aufbewahrung abgeliefert wurden (1937).
  • 7. Stadtarchiv Schwerin, R 33/341, Verzeichnis der Bücher der Stadtbücherei, die nach 1937 bzw. 1933 gegen Quittung an die Landesbibliothek zur Aufbewahrung abgeliefert wurden (1937).
  • 8. Werner Müller, Fred Mrotzek, Johannes Köllner, Die Geschichte der SPD in Mecklenburg und Vorpommern, Bonn 2002, S.156ff; Kyra Inachin, Von Selbstbehauptung zum Widerstand, Mecklenburger und Pommern gegen den Nationalsozialismus 1933 bis 1945, Schwerin 2004, S.43ff.
  • 9. Stadtarchiv Schwerin, R 33/349, Landesbibliothek, Bericht über die Jahre 1932-1936 (1936).
  • 10. Ebenda.
  • 11. „Mecklenburgische Zeitung“ (6.6.1933); Stadtarchiv Schwerin, R 33/349, Landesbibliothek, Bericht über die Jahre 1932-1936 (1936).
  • 12. „Mecklenburgische Zeitung“ (6.6.1933); „Niederdeutscher Beobachter“ (6.6.1933).
  • 13. „Niederdeutscher Beobachter“ (6.6.1933).
  • 14. „Mecklenburgische Zeitung“ (6.6.1933).
  • 15. „Mecklenburgische Zeitung“ (6.6.1933); „Niederdeutscher Beobachter“ (6.6.1933).
  • 16. „Niederdeutscher Beobachter“ (6.6.1933).






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