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Pirna

9. März 1933 , Breite Straße
Plünderung und Verwüstung der Volksbuchhandlung durch die SA mit anschließender Verbrennung.

Bücherverbrennung in Pirna

von Lutz Richter

Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler von Reichspräsident Paul von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt. Bei den darauf folgenden, letzten Reichstagswahlen am 05.03.1933 errang die NSDAP 43,9% der Stimmen im Deutschen Reich (SPD: 18,3% / KPD: 12,3%). In der Folge überzogen sie Insbesondere die politische Opposition mit Terror und Gewalt. Umgehend wurden Sozialisten, Kommunisten, Sozialdemokraten und andere Demokraten festgesetzt und mit allen Mitteln verfolgt.

In der Amtshauptmannschaft Pirna (Kreis Pirna) konnten die Nazis 40,8% erringen (SPD: 25,9% / KPD: 22,4%). Im Stadtgebiet Pirna erhielt die NSDAP „nur“ 36,4% (SPD: 22,8% / KPD: 26,6%), entsprechend erfolgt die Verfolgung politisch Andersdenkender mit besonderer Vehemenz und Akribie. Schon in der gesamten Wahlwoche, ab dem 01. März 1933 wurden sogenannte Schutzhaftmaßnahmen erlassen. Dabei kam es zu Beschlagnahmungen von Material, insbesondere kommunistischen Druckschriften und zu mehreren Verhaftungen. So wurden einige Kommunisten, darunter auch Stadtverordnete festgenommen. In Pirna-Rottwerndorf wurde das SPD Mitglied und Steinmetz Otto Günter verhaftet, weil er mit einem „Schlagwerkzeug“ angetroffen wurde. In diesen Tagen wurden im Pirnaer Amtsblatt ständig Listen Verhafteter veröffentlicht, um Druck auf potentielle Widerständskämpfer_innen zu erzeugen. Alle Verhaftungen wurden unter möglichst großem Publikumsverkehr aufgeführt.

Alle, denen die Nazis habhaft werden konnten, sperrte man vorerst in die Pirnaer Fronfeste. Diese enthält auch heute noch Hinweise auf diesen Teil der Geschichte. Sie ist in der Schmiedestraße 8 zu finden. Auf Grund der Vielzahl von Verhaftungen suchten die Nazis weitere Gefängnismöglichkeiten. Sie besetzten am 08.03.1933 die Jugendburg Hohnstein. Die SA- Standarte Pirna (Sturm 5/100) verhaftete als ersten Gefangenen, den sozialdemokratischen Herbergsleiter der Burg, Konrad Hahnewald. Dieser hatte sich geweigert die Hakenkreuzfahne auf der Burg zu hissen. Hohnstein wurde damit zu einem der frühen Konzentrationslager in Sachsen. Auf der Burg finden sich Heute einige wenige Hinweise auf dieses dunkelste Kapitel ihrer eigenen Geschichte.

Am 09.03.1933 besetzten die Nationalsozialisten das Volkshaus (Heute: Königsteiner Straße 3), dass ab 1900 im Besitz der Arbeiterorganisationen und später der KPD war. Am selben Tag wurde auch die Volksbuchhandlung „Buch und Kunst“ und die über ihr befindlichen Parteibüros der SPD gestürmt (Früher und Heute: Breite Straße 24).

Vor dem Haus wurde die in ihm befindliche und weitere Literatur auf getürmt. Danach wurden Parteimitglieder von KPD und SPD an diesen Platz verbracht und mussten die Verbrennung des Buchbestandes mit ansehen. Die Verbrennung war eine der frühen Bücherverbrennungen, die nicht im Rahmen der Aktion „Wider den undeutschen Geist“ stattfand. Das SPD Mitglied Hermann Paufler berichtet darüber Folgendes: „...Als ich in die Nähe des heutigen Kraftverkehrs kam, kam aus der damaligen Fabrik von Gäbler, heute Auto-Mildner, eine Kolonne mit Karabiner bewaffnete SA. ..(ich) bin zurück nach der Stadt, eine Kolonne besetzte das Volkshaus und die anderen marschierten nach der Volkszeitung. Es dauerte auch nicht lange, da schleppten die SA Bücher, Schreibmaterial und alles andere auf die Straße und brannten es an, darüber herrschte von der anwesenden Bevölkerung große Empörung. Gegen die bewaffnete SA konnte nichts unternommen werden, und so mußte zugesehen werden, wie alles fortschrittliche Material verbrannte. Am Hause der Buchhandlung von Höhne stand unter Bewachung der Gen. Fietsch Oskar und noch ein Gen., dessen Namen ich nicht mehr weiß, dann sah ich noch, wie Pastor Peter abgeführt wurde. Nachher bin ich nach Hause gegangen. Als ich am Volkshaus war, stand mein damaliger Unterkassierer von der SPD als SA-Mann Posten, im Februar hatte er mich noch kassiert, es war der Lump P., ich war erschüttert. “
Am Abend wurden die Reste der Verbrennung durch die Feuerwehr gelöscht und am 10.03.1933 abtransportiert.

In der Folge zerschlug das nationalsozialistische Regime alle oppositionellen Gruppen und Strukturen. Und heute, 68 Jahre nach dem Untergang von Nazideutschland, findet sich nicht mehr viel an Erinnerungsorten. Am Ort der Bücherverbrennung gibt es heute keine Tafel und keinen Verweis. Darum wollen wir die Erinnerung wach halten. So organisiert das antifaschistische Projekt K2-Kulturkiste (Kirchgasse2, 01796 Pirna) historische Stadtspaziergänge und es findet sich eine große Sammlung von Texten zum Nationalsozialismus auf der Internetseite des Pirnaer Historikers Hugo Jensch (www.geschichte-pirna,de).
Pirna, 16.10.2013







Verbrannte Orte