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Pforzheim

17. Juni 1933 , Marktplatz
Die HJ organisierte die „Kampfwoche gegen die Schund- und Schmutzliteratur“ in deren Rahmen auch in Pforzheim eine Bücherverbrennung stattfand.

PFORZHEIM am 17. JUNI 1933: VERBOTEN – VERBRANNT – VERGESSEN ?

Nach dem Muster der Bücherverbrennungen in Universitätsstädten am 10. Mai 1933, beginnend in Berlin, Bonn, Braunschweig, Bremen und Breslau, riefen in Pforzheim die Hitlerjugend, der Bund Deutscher Mädel und das Hitlerjungvolk für den 17. Juni 1933 zu einer solchen Aktion auf. Am Samstagabend gegen 21 Uhr sahen trotz starken Regens „einige Tausend“ auf dem Marktplatz zu, wie auf einem Scheiterhaufen „Schmutz- und Schundbücher“ brannten. Zur Vorbereitung der Aktion hatte die HJ „tagelang“, „mit rastlosem Eifer“, „treppauf, treppab... jeden denkbaren Winkel auch zu Hause durchsucht“ – die „Pforzheimer Rundschau“ bemerkte „das karge Ergebnis“.[1]
Unter den verbrannten Büchern waren auch solche, die zuvor aus dem Bestand der Volksbücherei ausgesondert worden waren.[2] Hermann Rapp, 1933 noch Sekretär des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) in Pforzheim, vermutete über den Verbleib der Gewerkschaftsbibliothek, „dass bei der in jenen Tagen stattgefundenen Bücherverbrennungsaktion ein großer Teil derselben vernichtet wurde. Das tat mir besonders leid, denn es waren viele schöne Bücher dabei, die mit Politik nichts zu tun hatten, sondern schöngeistiger, naturwissenschaftlicher und sonst unterhaltender Art waren“[3].
Vor der Verbrennung marschierte die HJ, angeführt von einer SA-Kapelle, durch die Stadt. Zu Beginn der Aktion begrüßte Kreisjugendführer Schenkel die „zahlreichen Vertreter von Stadt und Behörde“, auch Polizeihauptmann Klipfel, Oberleutnant Scholz, stellvertretender NSDAP-Kreis-leiter Lichtenfels und Sturmbannführer Rilling. In den Zeitungsberichten ist neben Remarques „Im Westen nichts Neues“ vor allem „jüdische Schriftstellerei“ als „undeutsches Schrifttum“ genannt.
NSDAP-Kreisjugendführer Schenkel „bedauerte es sehr, dass niederträchtige gewissenlose Menschen unter die Bücher des Schmutzes und Schundes ein – neues Testament gesteckt hätten. Es werde das Symbol des neuen Deutschland sein, ohne auf den Scheiterhaufen zu kommen, auf den die Burschen gehören, die es hergegeben haben!“
Der Scheiterhaufen für Menschen wurde nicht einmal zehn Jahre später verwirklicht: Bei der Volkszählung am Tag vor der Bücherverbrennung hatten 770 Menschen in Pforzheim bei „Religionszugehörigkeit“ ihr Kreuz bei „Israeliten“ gemacht; über 200 wurden Opfer des mörde-rischen Antisemitismus, 88 wurden allein im Vernichtungslager Auschwitz ermordet und verbrannt.
Am Ende sang die Menge auf dem Marktplatz „entblößten Hauptes“ den Choral „Nun danket alle Gott“, das Lied vom „Guten Kameraden“ und schloss mit einem dreifachen „Sieg Heil“ auf Hitler.
Beinahe wie die Antizipation des 23. Februar 1945 liest sich die Schilderung der Szenerie jenes Abends: „Die Flammen fraßen sich tief in den Bücher- und Holzstoß hinein und schlugen hoch zum Himmel empor. Gespenstisch waren die Gebäulichkeiten des Marktplatzes beleuchtet, die Gestalten, die ihn bevölkerten, waren in Rotglut gehüllt“.
Von der Deutschen Studentenschaft um Unterstützung aufgefordert, erteilte der Pforzheimer Schriftsteller Emil Strauss (NSDAP-Mitglied) eine Absage nur der Form, nicht des Inhalts wegen: „Ihr Verlangen nach einem Artikel für Ihre Aktion kommt in mir zu einem, der keine Artikel schreibt. Ich bitte, mir nicht zu verargen, dass ich Ihren Wunsch nicht erfüllen, dass ich den Kampf des deutschen Geistes im deutschen Schrifttum wie seit über dreißig Jahren auch weiterhin nur künstlerisch führen kann. Mit den besten Wünschen für Ihr Vorhaben E. Strauß“[4]
Literatur: Dorothea Brändle: 100 Jahre Stadtbücherei Pforzheim 1893–1993, Pforzheim, 1993, Pforzheimer Morgenblatt vom 19. Juni 1933, Pforzheimer Rundschau vom 19. Juni 1933, Hermann Rapp: Aus schwerer und bewegter Zeit, Pforzheim, 1975, Hans Schütz: Verbotene Bücher, München, 1990
Quellen: 1. Zitate ohne Quellen aus den Zeitungsartikeln - 2. Brändle S. 28 - 3. Rapp S. 149 - 4.zitiert nach: „Wahr sein kann man“, Zu Leben und Werk von Emil Strauß (1866-1960), hrsg. von Bärbel Rudin (Pforzheim, 1990), S. 23

Dieser Text wurde uns freundlicherweisen von Gerhard und Brigitte Brändle zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!







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