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Heidelberg - vor dem Gewerkschaftshaus

11. März 1933 , Rohrbacherstr. 13-15
Historische Adresse: vor dem Gewerkschaftshaus
Nach einer Stürmung des Gewerkschaftshauses verbrannte die SA die erbeuteten Akten und Bücher.

Bücherverbrennungen in Heidelberg

von Juliane Hoheisel und Anna Parrisius

Für das Jahr 1933 sind insgesamt 93 Bücherverbrennungen auf dem Gebiet des Deutschen Reichs überliefert. In Heidelberg wurden 1933 dreimal Bücher und andere schriftliche Zeugnisse, zum Beispiel Zeitungen, verbrannt. Doch warum wählte die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) das Mittel der Bücherverbrennung?

Um zu verstehen, was bei den Bücherverbrennungen geschah, ist Folgendes wichtig: Sie standen im Kontext der nationalsozialistischen Machtdurchsetzung auf lokaler Ebene, die bereits unmittelbar nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler 1933 eingesetzt hatte. Im Frühjahr desselben Jahres begann die NSDAP Führung deutschlandweit damit, die politische Opposition zu zerschlagen. Die Reichstagswahl am 05. März 1933 wurde nicht mehr unter rechtsstaatlichen Bedingungen abgehalten. Danach ging die NSDAP immer mehr dazu über, die organisatorische Basis der SPD, der KPD und der Gewerkschaften deutschlandweit zu zerstören. Sturmabteilung (SA) und Schutzstaffel (SS) griffen beispielsweise Partei-, Verlags- und Gewerkschaftsgebäude an. In Heidelberg stürmten Trupps der SA und SS am 11. März 1933 die Zentrale der FREIEN GEWERKSCHAFTEN. Diese befand sich in der Rohrbacher Straße an der Ecke zur Hans-
Böckler-Straße. Die SA- und SS Mitglieder beschlagnahmten Akten und Bücher, warfen sie auf die Straße und verbrannten sie in einem dafür eigens entzündeten Feuer. Dabei feindeten sie nicht spezifische Buchtitel oder Autorinnen und Autoren an, sondern ordneten die im Gewerkschaftshaus vorgefundenen Bücher und Akten der politischen Richtung ihrer Besitzer zu. In anderen deutschen Städten, wie in Berlin und Münster, kam es zu ähnlichen spontanen Bücherverbrennungen.

Studierende bereiten eine Bücherverbrennung vor
Eine größere Bücherverbrennung, sowohl was die Anzahl der verbrannten Schriften als auch die Größe des Publikums angeht, veranstalteten Studierende zwei Monate später. Der NATIONAL-
SOZIALISTISCHE DEUTSCHE STUDENTENBUND hielt zu dieser Zeit die Mehrheit in der Heidelberger Studentenschaft, wie auch an zahlreichen anderen deutschen Hochschulen. Linke und
liberale Hochschulgruppen waren verboten worden. Nach einer zentralen Absprache der Deutschen Studentenschaft, der die studentischen Vertretungen aller deutschen Hochschulen angehörten,
organisierten nationalsozialistische Studierende ab Mitte April reichsweit die vierwöchige Aktion „Wider den undeutschen Geist“.
Deren Höhe- und Endpunkt sollten Bücherverbrennungen am 10. Mai 1933 bilden. Seit der Antike sind Verbrennungen von Büchern aus politischen und religiösen Gründen überliefert. Die
Studierenden griffen somit 1933 auf ein lange tradiertes Ritual der Zerstörung zurück. In den Fokus nahmen die Studierenden zu Beginn ihrer Aktion jedoch zunächst die Universität: Hier störten und boykottierten sie die Vorlesungen und Seminare insbesondere von jüdischen Lehrkräften oder hinderten andere Studierende an deren Teilnahme. Sie setzten sich dafür ein, dass als feindlich angesehene Studierende – beispielsweise Kommunistinnen und Kommunisten – aus der Universität
ausgeschlossen wurden. Diese Störaktionen flankierten Maßnahmen der NSDAP zum Ausschluss ihrer Gegner, zentral war hierbei die rassistische antijüdische Gesetzgebung zur Verdrängung jüdischer Hochschullehrkräfte. Ein Drittel der Heidelberger Hochschullehrerinnen und -lehrer wurde aus politischen oder rassistischen Gründen bis 1938 entlassen und ins Exil getrieben, Dutzende Studierende wurden von der Universität ausgeschlossen.
Ab Mitte April 1933 begannen Studierende in Heidelberg und im ganzen Reich, ihre Buchbestände und jene in ihrem persönlichen Umfeld und in öffentlichen Büchereien zu „säubern“. Sogenannte „Schwarze Listen“ dienten als Orientierung. Diese verzeichneten jene Bücher und Schriften, die reichsweit vernichtet werden sollten, darunter Werke jüdischer und politisch oppositioneller Autorinnen und Autoren. Buchhandlungen wurden zur Herausgabe dieser Bücher aufgefordert.
Überraschenderweise kamen in Heidelberg nur wenige Bücher zusammen. Deshalb wurde die Bücherverbrennung dort vom 10. auf den 17. Mai 1933 verschoben. Dies war unter anderem darauf zurückzuführen, dass es in der städtischen „Volksbücherei“ nur wenige der angeblich feindlichen Bücher gab. Ihr rechtsnationaler Leiter Georg Zink, der auch NSDAP"Mitglied war, hatte sie vermutlich entweder gar nicht erst angeschafft, oder längst aussortiert.
Ablauf der Bücherverbrennung
Am Nachmittag des 17. Mai 1933 türmten Studierende auf dem Universitätsplatz einen vier Meter hohen pyramidenförmigen Scheiterhaufen auf und befestigten an ihm Fahnen, Transparente und
Schilder linker und gewerkschaftlicher Organisationen. Die Zahl der Bücher, Zeitschriften und Zeitungen im Inneren des Scheiterhaufens war jedoch gering im Vergleich zu anderen Städten, insbesondere Berlin. So wurden u.a. ein Exemplar des städtischen Haushaltsplans und einige Bündel örtlicher Zeitungen auf den Haufen gelegt, damit er etwas stattlicher aussah. Am Abend wurde ein Fackelzug veranstaltet, an dem sich Studierende, SA- und SS Formationen und Ortsgruppenmitglieder der NSDAP beteiligten. Um 21.30 Uhr zogen sie vor der Stadthalle los, marschierten durch die Neckarstaden, die Sophienstraße und die Hauptstraße zum Universitätsplatz.
Dort traf der Fackelzug, dem sich zahlreiche Einwohnerinnen und Einwohner Heidelbergs angeschlossen hatten, um 22 Uhr ein. Während bei Bücherverbrennungen in anderen Universitätsstädten häufig Professoren der örtlichen Hochschulen als Redner auftraten, übernahm in Heidelberg der Studentenführer Gustav Adolf Scheel diese Rolle. In seiner Rede rief Scheel zum „nationalen Kulturkampf“ auf. Währenddessen wurde der Scheiterhaufen entzündet. Bei der Inszenierung der Bücherverbrennung war das emotionale Gemeinschaftserlebnis von besonderer Bedeutung. Die Veranstalter griffen auch auf Bräuche von Verbindungsstudenten zurück. Diese spielten neben den Studierenden des NS Studentenbundes eine besondere Rolle: Sie positionierten sich als Fahnen- und Fackelträger auf den Treppen der Neuen Universität, ein ALTER HERR der FRANKONIA Verbindung hielt eine Rede. Unklar ist bis heute, wie viele Heidelberger Bürgerinnen
und Bürger bei der Bücherverbrennung anwesend waren. Das „Heidelberger Tageblatt“ berichtete von der Teilnahme einiger Tausend Menschen, allerdings sind keine Fotografien überliefert.
Die dritte Bücherverbrennung in Heidelberg 1933
Zwei Monate später wurden erneut Schriften auf dem Universitätsplatz verbrannt. Die Hitlerjugend (HJ) organisierte in den badischen Städten Heidelberg, Karlsruhe, Kehl, Offenburg und Pforzheim eine „Kampfwoche gegen Schmutz und Schund“, mit der sie sich an der von Studierenden reichsweit organisierten Aktion „Wider den undeutschen Geist“ orientierte. Am Ende der HJ Aktion sollten eigentlich am 17. Juni 1933 Bücherverbrennungen stattfinden. In Heidelberg wurde die Veranstaltung wegen Regens auf den 16. Juli verschoben. Rund 2.000 Jugendliche sollen am 16. Juli in Heidelberg in Marschkolonnen auf den Universitätsplatz gezogen sein und im Beisein von circa 1.000 weiteren Heidelbergerinnen und Heidelbergern der nunmehr dritten Bücherverbrennung 1933 beigewohnt haben. Viele der als regimefeindlich deklarierten Autorinnen und Autoren, wie Emil Julius Gumbel, Kurt Tucholsky oder Bertolt Brecht, gingen in dieser Zeit ins Exil. Ihre Bücher wurden verboten. Andere Intellektuelle, wie Erich Kästner, blieben in Deutschland und waren hier weiteren Anfeindungen der Nationalsozialisten ausgesetzt.
Erinnerung an die Bücherverbrennung vom 17. Mai 1933.
Am 17. Mai 2011, also 78 Jahre nach der Bücherverbrennung auf dem Heidelberger Universitätsplatz, brachte die Bürgerstiftung Heidelberg dort eine Gedenkplatte an. Auf dieser Tafel steht neben einer kurzen Erklärung zur Bücherverbrennung folgendes Zitat von Gotthold Ephraim Lessing: „Was einmal gedruckt ist, gehört der ganzen Welt auf ewige Zeiten. Niemand hat das Recht, es zu vertilgen.“

Der Text erschien 2018 im Heft „Spurensuche – Heidelberg im Nationalsozialismus“ des Vereins Heidelberger Lupe.
https://heidelbergerlupe.wordpress.com/







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